Die Friedreich-Ataxie ist eine fortschreitende neurologische Krankheit, die im Allgemeinen im Kindesalter oder im frühen Erwachsenenalter einsetzt. Sie wurde erstmals 1863 von dem deutschen Neurologen Nikolaus Friedreich beschrieben.
Unter «Ataxie» versteht man eine Koordinationsstörung der willkürlichen Bewegungen. Die Ataxie kann durch eine Schädigung des Kleinhirns oder der Nervenfasern, welche Informationen vom Rückenmark zur spinocerebellären Bahn weiterleiten, hervorgerufen werden.
Der Friedreich-Ataxie liegt eine Degeneration der spinocerebellären Bahnen und des Kleinhirns zu Grunde und die Krankheit führt zu Gleichgewichtsstörungen, Störungen der Tiefensensibilität sowie verschiedene andere Symptome. Die Krankheit beeinträchtigt jedoch in der Regel nicht die intellektuellen Fähigkeiten. Wie bei allen degenerativen Krankheiten kann der Verlauf je nach Person langsamer oder rascher sein.
Symptome
In der folgenden Aufzählung sind die bei Friedreich-Ataxie auftretenden Symptome zusammengefasst. Die Patienten und Patientinnen können sämtliche oder einen Teil dieser Symptome aufweisen.
Kleinhirnsyndrom (Läsion des Kleinhirns):
Pyramidenbahnläsion:
Schädigung der Hinterstrangbahnen des Rückenmarks:
Periphere Nervenschädigungen:
Skelettdeformitäten stellen eine Folgeerscheinung der neurologischen Schädigungen dar:
Diabetes:
Herzstörungen:
Krankheitsverlauf
Die Symptome beginnen meist im Pubertätsalter (13 bis 14 Jahre), können aber auch schon im Kindesalter (4 bis 6 Jahre) oder erst wesentlich später im Erwachsenenalter (20 bis 50 Jahre) auftreten. Bei den spät beginnenden Formen sind häufig die Muskeleigenreflexe erhalten und es fehlen Zeichen einer Systembeteiligung. Die ersten Anzeichen der Krankheit sind häufig Gang- und Gleichgewichtsstörungen sowie Koordinationsschwierigkeiten der Arme (langsame, unpräzise Gesten). Allmählich können weitere Symptome wie Sprechschwierigkeiten, Kältegefühl in den Füssen und starke Ermüdbarkeit dazukommen. Manche dieser Symptome lassen sich nur durch eine gründliche Untersuchung feststellen.
In der Regel sind die körperlichen Symptome der Friedreich-Ataxie unaufhaltsam voranschreitend. Es ist jedoch hervorzuheben, dass der Verlauf von einem Patienten zum Anderen und auch bei den Kindern ein und derselben Familie sehr unterschiedlich sein kann. Die Krankheit führt in der Regel zum Verlust der Autonomie und macht den Gebrauch eines Rollstuhles unumgänglich.
Vererbung
Die Friedreich-Ataxie ist eine Erbkrankheit, die ungefähr eine von 30 000 Personen trifft. Der menschliche Körper besteht aus lebenden Bausteinen, den Zellen. Jede Zelle besitzt einen Kern mit 23 Chromosomenpaaren. Jedes Chromosom setzt sich aus Genen zusammen, die für bestimmte Eiweissfunktionen und das Auftreten von Erbmerkmalen verantwortlich sind. Veränderungen, sogenannte Mutationen, in den Genen können Erbkrankheiten verursachen. Genetische Studien, die Ende der Achtzigerjahre in Angriff genommen wurden, führten im März 1996 zur Entdeckung des Gens, das die Friedreich-Ataxie verursacht.
Das Gen befindet sich auf dem Chromosom 9 und enthält die Information für die Herstellung von Frataxin, einem Eiweiss, das aus 216 sogenannten Aminosäuren besteht und für die Funktion der Mitochondrien wichtig ist, wo das Frataxin auch angesiedelt ist. Die Mitochondrien sind eine in allen Zellen vorkommende mikroskopische Struktur. Sie sind der Sitz der Zellatmung, also für die Bildung von Energie aus Sauerstoff.
Die Friedreich-Ataxie ist eine nicht dominante, sogenannte rezessive Erbkrankheit. Das bedeutet, dass es nur dann zur Erkrankung kommt, wenn beide Chromosomen desselben Paares ein mutiertes Gen aufweisen. Die Übertragung erfolgt autosomal, das heisst, dass sich das verantwortliche Gen auf einem Chromosom befindet, das nicht an der Geschlechtsbestimmung beteiligt ist. Die Krankheit trifft somit unterschiedslos Frauen und Männer.
Therapeutische Massnahmen
Trotz der nachhaltigen Bemühungen im Bereich der medizinischen Forschung besteht für Betroffene mit Friedreich-Ataxie gegenwärtig keine Heilungsmöglichkeit. Für Patienten mit Herzkrankheit besteht die Möglichkeit, mit einem Medikament den Verlauf der Herzkrankheit günstig zu beeinflussen. Das heisst jedoch nicht, dass auf die Behandlung der anderen Krankheitssymptome verzichtet werden kann – ganz im Gegenteil: Symptomgerichtete therapeutische Massnahmen sind unerlässlich für die an Ataxie leidenden Personen, insbesondere um ihnen eine befriedigende Lebensqualität zu erhalten.
Aus diesem Grund kommt der Behandlung der verschiedenen Symptome eine grosse Bedeutung zu. Wichtig sind vor allem:
Physiotherapie
Mit Hilfe der Physiotherapie soll die Funktionsfähigkeit so weit wie nur möglich erhalten werden. Die Behandlung umfasst eine (aktive und/oder passive) Mobilisierung der Gliedmassen sowie eine spezielle Heilgymnastik für die Wirbelsäule und zur Bekämpfung der orthopädischen Störungen. Sie konzentriert sich auf folgende wichtige Punkte:
Die Motivation der Betroffenen zur körperlichen Betätigung (Schwimmen und andere Sportarten) ist ein zusätzliches Plus und eine wichtige Ergänzung der Behandlung. Schwimmen ist besonders geeignet, weil die Patienten und Patientinnen dabei ihre Gleichgewichtsprobleme vergessen können.
Ergotherapie
Die Ergotherapie ist eine Behandlungsmethode zur Umschulung und Rehabilitation. Sie soll den AtaxiepatientInnen helfen, die Aktivitäten des täglichen Lebens selbständig auszuführen.
Logopädie
Unter Logopädie versteht man das Schulen der Artikulation sowie der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksweise. Bei Personen, die an der Friedreich-Ataxie leiden, treten verschiedene Störungen im Bereich der Kommunikation auf. Diese Dysfunktionen, die mehr oder weniger ausgeprägt sein können, betreffen:
Alle diese funktionellen Störungen sind von einer Person zur anderen sehr unterschiedlich. Sie werden erheblich verstärkt durch:
Die Logopädiespezialisten haben somit die Aufgabe, den Ataxiepatienten bei der Ausschöpfung aller ihrer Möglichkeiten zu helfen, um ihnen eine möglichst mühelose Kommunikation ohne übermässige Ermüdung zu erleichtern. Dies kann mit verschiedenen Mitteln und Wegen erreicht werden:
Quelle und Zusammenarbeit mit der Schweizerische Muskelgesellschaft (www.muskelgesellschaft.ch).
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